Wenn ich es mir
recht überlege, so könnte die Welt gar nicht besser sein. Sie ist weder die schlechteste noch die beste, sondern viel eher
die einzige aller möglichen Welten. Sie ist notwendig so, wie sie sein sollte und andere Möglichkeiten könnten wir nur in
Betracht ziehen, wenn wir über Anfang und Ende ihrer Existenz, sowohl in Raum als auch in Zeit, hinwegsehen könnten, uns nicht
nur selbst überschreiten, sondern überhaupt alles, was existiert. Dies aber scheitert nicht nur in der Praxis, sondern auch
in der bloßen Theorie, denn alles zu überschreiten, bedeutet, dass wir uns selbst hinter uns lassen müssten, da wir ja auch
ein Teil dieses Gesamten darstellen.
Warum aber leiden die Menschen dann so, wenn ihre
Umwelt doch unter keinen Umständen besser sein könnte, warum verzweifeln sie an Dingen, welche an sich unabänderlich sind,
abstrakt, ewig und absolut. Denken wir an den Naturzustand unserer Gattung, ja aller lebenden Gattungen im Allgemeinen, so
hat das Leiden eine ganz distinktive Aufgabe, nämlich das Individuum darauf aufmerksam zu machen, was diesem gerade fehlt
(erstrangig in körperlicher Hinsicht) und es dazu bringen, diesen Mangel durch Problemlösung auszugleichen. Etwas derartiges
schließt jedoch aus, dass es dem Menschen möglich ist, an der Sinnlosigkeit seiner Existenz zu leiden, denn inwiefern könnte
der Glaube an eine solche Absurdität dem Individuum schädlich sein, als alleine in der Äußerung eben dieses Leidens. Die Frage,
die man sich nun stellen muss, lautet also, was die Natur so abträglich daran findet, wenn ein Wesen seiner Schöpfung viel
über sein Umfeld nachdenkt, inwiefern es also den Grundtrieb der Natur schadet, welcher eindeutig in der Weiterbildung, der
Fortpflanzung, der Evolution liegt. Doch vielleicht suchen wir am falschen Punkt, vielleicht hat das Leiden gar nicht so viel
mit der Philosophie selbst zu tun, vielleicht verwechseln wir ja Ursache und Wirkung, und Philosophie ist viel mehr die Folge
des Leidens, als dessen Begründung.
Von Jung weiß ich, dass vor allem der introvertierte
Typus dazu neigt, Probleme auf eine ganz eigene und unnatürliche Art und Weise zu lösen, indem er nämlich ein Verhalten an
den Tag legt, welches überhaupt nicht auf eine Lösung des Problems hinarbeitet, beziehungsweise dies in so seltsamer und entrückter
Manier tut, dass die Schwierigkeit dadurch nur größer wird. Wenn wir also annehmen, dass die meisten Menschen introvertiert
sind, welche zu philosophieren beginnen, und wenn wir zusätzlich voraussetzen, dass viele Menschen schon ein vorweg existierendes
Grundleiden, wie eine körperliche Schwäche oder einen Minderwertigkeitskomplex besitzen, so könnte es doch sein, dass gerade
diese Menschen zu philosophieren beginnen, weil ihre Natur ihnen vorgibt, bevorzugter mit ihren Gedanken Probleme zu lösen,
als mit ihren Handlungen, auch wenn die resultierenden Lösungen sich gar nicht auf dieses Grundleiden beziehen. Das würde
also bedeutet, dass viel eher leidende Menschen dazu disponiert sind, zu philosophieren, als Philosophen es sind, zu leiden
und wir hätten ein Verhältnis zwischen dem Unglück und der Philosophie, welches durchwegs dasselbe, jedoch gleichzeitig genau
ins Gegenteil verkehrt ist.
Wie kommt es dann aber, dass so viele Philosophen
von der tiefen Überzeugung sind, dass es die Welt und ihre Umstände sind, an denen sie leiden, wie wäre eine solche Verblendung
über die faktischen Tatsachen zu erklären, die damit zu vergleichen wäre, als würden wir uns an den Kopf greifen, wenn man
uns in die Hand beißt. Ist es vielleicht lediglich seine Eitelkeit, die aus ihm etwas Besonderes machen möchte, indem sie
sich selbst mit solch schmeichelnden Argumenten füttert, wie denen des Weltschmerzes.
Nun, vielleicht gibt es ja eine ganz einfache Erklärung
für dieses Phänomen. Es könnte sich auch so verhalten, dass der Philosoph im Zuge der Überschätzung seiner eigenen Weisheit
und deren Erweiterung, das Maß der Dinge aus den Augen verliert, beispielsweise seinen Körper enorm vernachlässigt, indem
er ständig nur zu Hause sitzt und Bücher liest, oder sein Liebesleben, indem er die Frühlingsgefühle auf biologische Vorgänge
reduziert, die seines Erachtens nach keinerlei Wert besitzen, so dass es folglich auf ganz natürliche Wiese zu diesem Leiden
kommt, um ihn von der Einseitigkeit seines ungesunden Lebens fortzuziehen, damit er die Vielfalt seiner Möglichkeiten kennenlerne
und auch nütze.
Wir
sehen also, dass es vierlei Gründe gibt, welche das Leiden des Philosophen begründen könnten, jedoch keinen einzigen Beleg
für die faktische Existenz eines Weltschmerzes.
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