Fatum und Hoffnung (August 2003)

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Es gibt wahre Schönheiten auf dieser Welt, für die es sich zu sterben lohnen würde – gesetzt unser Tod würde die Schönheiten dazu bringen, sich uns zuzuwenden. Und wie stark das Hässliche unser Leben auch vergällt, wie überdrüßig das Langweilige und Absurde unser Gemüt auch stimmen mag – es ist dies alles nichts im Vergleich mit der schmerzvollen Sehnsucht nach einer wahren Schönheit, insbesondere, wenn man selbst nichts Schönes an sich findet. Gewöhnlich ist man seinem Wesen auch viel zu nahe, als dass nicht das übermäßige Gewicht an gemeiner Banalität und Gewöhnlichkeit das Selbstbildnis endlos verhässlichen würde. Es ist somit kein Wunder, dass man sich gesondert in das von sich entfernteste Wesen verliebt und dem Gedanken an dieses mit Wollust, gleichsam wie mit Wehe, nachhängt. Es scheint sogar, als würde es uns weniger, zu unserem Komplementärbild hin-, als von uns selbst fortziehen, als würde unsere Seele uns jedes Mal reichlich mit positiven Gefühlen belohnen, nur weil wir es wieder einmal geschafft haben, uns selbst in einem Buch oder anderem Gegenstande zu verlieren. Sind wir uns selbst wirklich so unerträglich? Steckt nicht vielleicht hier der Wurm, der am Sinn unseres Daseins nagt, und dem weder das Christentum, noch der Buddhismus, trotz ihrer distinktiven Aufgabe, das menschliche Leid zu bekämpfen, auf die Schliche gekommen ist? Sind wir uns vielleicht selbst das größte, ja das einzige Problem? Hat die Natur vielleicht einen selbstzerstörischen Irrtum in das Wesen des Tieres gepflanzt, ein instabiles Zahnrad, als sie ihm zum denkenden, selbstbewussten Tiere, also zum Menschen machte? Wurde das Leid dieser Welt dabei nicht auf das Unendlichfache gesteigert, als alles der wahllosen Reflexion, der geistigen Spiegelung überlassen wurde, indem nun jeder einzelne erfahren konnte, für welch unwesentliche Rolle er im Weltgeschehen bestimmt war? Wäre ein blindes, gedankenloses Universum nicht besser gewesen, als diese selbstsüchtige, gleichsam sich selbstverachtende Rasse, dieser Parasit, der alles an sich reißt, aber sich dennoch mit nichts zufrieden geben kann, kurz gesagt: wäre ein Universum ohne Mensch nicht seliger, erträglicher gewesen, und zwar für alle Lebewesen, eingeschlossen dem Menschen selbst, der doch ohnehin nur leidet? – Wahrscheinlich können wir die Frage nicht beantworten. Fest steht, dass es nun mehr unmöglich ist, es zu ändern, ja dass es für uns schon seit jeher unmöglich war, es zu verhindern. Nicht unsere Schuld ist es, dass wir am Leben sind, aber unsere Schuld würde es sein, wenn wir nichts aus diesem Leben machten. Jetzt, wo wir schon so weit sind, ist eine Rückkehr zu einem früheren Entwicklungsstand unmöglich, ja der Versuch, dorthin zu gelangen, würde uns sehr lächerlich erscheinen lassen und dem Stolz der Menschheit einen schweren Kratzer zufügen. Unsere erste Aufgabe sollte lauten, das Demutsgefühl loszuwerden, das uns das Christentum indoktriniert hat. Unsere zweite Aufgabe, welche mir noch wichtiger erscheint, wäre so dann eine globale Lehre der gesunden und gemäßigten Selbstliebe, so wie das Postulat einer völlig neuen Ethik, welche die gesellschaftlichen Diskrepanzen und alten Wert(vor)urteile endgültig vernichten soll. – Es ist noch zu früh, zu sagen, wo das neue Ideal uns hinführen wird. Doch eines steht fest: Sobald wir erstmal auf eigenen, auf irdischen Füßen stehen, wird alles anders werden.

(c) by Philemon