Meine Tragödie (Oktober 2003 - April 2004)

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DER TRAGÖDIE ERSTER TEIL

 

Ich habe lange darüber nachgedacht, weshalb es mir in letzter Zeit so schwer gefallen ist, irgendetwas zu Papier zu bringen, mit dem ich zufrieden war, aber ich nehme nun an, dass es daran gelegen hat, dass ich kein guter Geschichtenerzähler bin, nur Ideen herausbeschwören kann, die ich nicht zu Ende führe, weil ich schließlich den Eindruck habe, dass sie mich nicht mehr wirklich betreffen und sich dadurch Hemmungen einsetzen, weil ich mir die Illusion mache, dass ich anderen etwas vorlüge, indem ich »Dinge erfinde«. Dass erst in diesem »Erfinden«, das Besondere an Prosa liegen soll, kann ich tief in meinem Innersten nicht glauben, weshalb eine Idee, die mir einmal gekommen ist, mir auch früher oder später nicht mehr gefällt.

Um dieses Problem des Erzählens zu umgehen, werde ich mich und mein Leben auf den nächsten Seiten dokumentieren, meine Gedanken nach ihren tiefsten Abgründen und mein Leben nach den seltsamsten Begebenheiten durchwühlen, um eine Reminiszenz für spätere Zeiten zu liefern, ganz gleich, ob es dann noch irgendwen interessiert. Man darf die folgenden Einträge nicht im Sinne eines Tagebuchs verstehen, sondern eher als Ansammlung von Gedanken, die mir ab und zu kommen, zum Teil basierend auf Problemen, die ich durch das Aufschreiben innerlich verarbeiten und ordnen konnte. Ich werde in den nächsten Zeilen Namen nur extrem verkürzt oder ganz verändert verwenden, um diverse Fehldokumentationen, die vielleicht auch noch beleidigend sind, gar nicht erst riskieren zu müssen. Außerdem kann es passieren, dass einige absurde Metaphern sich darin befinden, die bitte nicht wörtlich zu nehmen sind, sondern nur unterstreichen sollen, was genau ich denke.

 

 

GEDANKEN VOM 30. OKT. 2003

 

Draußen ist es relativ dunkel und feucht und ich bin froh, dass ich heute nicht rausgegangen bin, um meinen Pflichtaufenthalt in der Schule abzusitzen. Ich weiß, ich sollte es mir nicht zu Gewohnheit machen, stetig zu schwänzen, da mir das, früher oder später, ernstzunehmende Probleme bescheren könnte, aber seltsamerweise habe ich das Gefühl, dort nicht wirklich etwas zu verpassen, denn außer den Stoffgebieten ändert sich wenig und die meisten Lehrer sind gar nicht dazu in der Lage ihre Stimme zu einem Punkt zu erheben, an welchem ein Ohr von mir in aller Aufmerksamkeit lauschen könnte. Denn meine Ohren sind inwendig, ich bin ein Träumer, ein Fantast, der seine Fantasie, im Laufe seines Alters, einbüßen musste, und jetzt nur noch die Vernunft und Wahrheit als Phantasmagorie benutzt, was wirklich um einiges komplizierter, doch auch um einiges sinnvoller ist. Leider könnte man sagen, ich schaffe es nicht, meine Nachdenklichkeit unter Kontrolle zu halten, sie kommt, sobald ihr etwas Großartiges einfällt und geht wieder, wann es ihr passt und kein Stoff in meinem Kopf mehr kombinierbar ist. Ein weiterer negativer Aspekt meiner Reflexionen ist, dass ich mehr von mir selbst zu lernen scheine, als von meinem Umfeld, ich an mir selbst so viel mehr habe, als an den meisten anderen Menschen, sodass sich das in einer leichten Form der Arroganz erkenntlich zeigt, die ich nur dadurch verstecken könnte, indem ich den anderen vortäusche, ich sei ein netter Mensch, was mir mein Prinzip der Ehrlichkeit aber meistens verbietet.

Es ist nicht so, dass ich meine Kommilitonen, meine Freunde oder meine Familie nicht leiden kann, oder sie gar hasse, nur fällt es mir oft schwer, manche von ihnen wirklich ernst zu nehmen oder das, was sie sagen, da ich hinter den meisten ihrer Gesichter keinen klugen Kopf erkenne, der auch mich und meine Probleme verstehen könnte. Ich merke also, zu viele sind anders und ich benutze absichtlich nicht das Maß des Intellekts, da ich sonst sagen müsste: Zu viele sind unreifer, und das würde wiederum sehr arrogant klingen, auch wenn ich mich eines gewissen Wahrheitsgrads dieses Satzes nicht erwehren kann. Da es hier aber eher um Nachdenklichkeit geht und nicht um Intellekt, um innere Reflexion und nicht um Gedächtniskapazitäten oder Denkpotenzial, kann ich wohl sagen, dass zu viele »oberflächlicher« und »naiver« durch die Welt schlendern, ohne ihren Blick vom Boden ihrer Unterhaltungsdogmen und poetischen Träume, abzuwenden, sodass sie vermutlich erst im späten Alter, wenn ihr Körper sich erschöpft niederlegt, die Herrlichkeiten des Himmels erblicken und sie von der unglaublichen Weisheit der Weisheit erleuchtet werden. Ich hingegen habe das Problem, dass mein Antlitz sich bereits zu oft zu den Wolken wendet, ich deshalb auch unheimlich oft an Verkehrsstangen oder Passanten stoße oder mich gar verirre und schlussendlich bemerke, dass mein reales Ziel jetzt noch weiter in die Ferne gerückt ist, als vorher. Eine weitere problematische Folge meiner stetigen »Träumerei«, die nicht von der Welt handelt, wie ich sie mir wünsche, sondern von der Welt, wie sie sich meinen Vorstellungen aufdrängt und in meine Vorstellungen eingliedert, ist die Schwierigkeit sich überhaupt noch in ihr zu Recht zu finden. Auch im Zwischenmenschlichen habe ich Probleme, denn die Dinge über die ich mir oft Gedanken mache, scheinen sich so krass von dem standardisierten Gesprächen meines Umfeldes abzuheben, dass es einfach nur inadäquat und anstößig wäre, sie zu verlautbaren. So frißt sich alles in mich hinein, meine Leiden und meine Freuden, und immer stärker wird mir bewusst, dass keiner sich wirklich für mich interessiert, da schließlich keiner mich wirklich kennt, was natürlich unmittelbarer mit mir zu tun hat, als mit meinen Freunden. Doch wie sollte ich mich selbst verurteilen? Kann ich etwas dafür, nur weil es mir schwer fällt, mich in dieser Welt, mit vollem Geiste, zu integrieren? Bin ich nicht der einzige, der davon Schaden nimmt, wenn ich mir selbst, da ich weder belehren noch beleidigen darf, verbiete meinen Mund aufzumachen und so irgendwann in aller Einsamkeit ende, wie mein Vater, da alle Freunde und Verwandte irgendwann schließlich auf die Tatsache stoßen, dass sie nur die stillstehende Oberfläche eines in sich tobenden Meeres sehen, wo nur ab und zu eine Welle sich nach oben durchringt, die klein und nur als leiser Abklang meiner Gedankenwelt zu sehen ist?

Gewiss liegt die Schuld dieser Eigenschaft gegenwärtig in mir selbst, denn würde mein Verhalten mich wirklich stören, so würde ich es ändern. Da ich es aber nicht ändere, kann ich davon ausgehen, dass ich es nicht verändern will und daraus kann ich schließen, dass es mich auch nicht wirklich stört oder zumindest, dass das Problem dieser Eigenschaft geringfügiger ist, als ihr Vorzug.

 

 

GEDANKEN VOM 04. NOV. 2003

 

Lass mich los Schwermut, du verdienst mich nicht.

Hänge dich doch an jene Menschen, welche blindlings ihrem Glück nachlaufen, ohne zu erkennen, dass ihre Anstrengungen umsonst sind.

Kann ich dich töten, Schwermut, ohne das Messer gegen mich selbst zu richten?

Was hält dich am Leben, was verhilft dir zu der Ausdauer, die du brauchst, um mich überall hin zu verfolgen? Ich selbst bin es vermutlich, von dessen Gedanken du dich nährst.

Warum wird der Mensch nicht glücklicher, mit jeder Erkenntnis, die er erlangt? Warum steigert es nur seine Unzufriedenheit, wenn er besser über die Verhältnisse der Welt Bescheid weiß, als sein Umfeld?

Vielleicht weil mit jeder Antwort die Fragwürdigkeit seiner Existenz größer wird und die Phänomene, über welche er sich noch wundern kann, geringer.

Alles ist so sinnlos. 

 

 

GEDANKEN VOM 05. NOV. 03

 

Ich sitze zu Hause, obwohl ich eigentlich in der Schule sein sollte, wo unser Geographie-Professor vermutlich gerade die Nordtiroler/Vorarlberger Kalkalpen für uns wiederholt. Doch dieser Ort (die Schule nicht die Kalkalpen) ist mir verhasst und allmählich auch die Menschen dort, da ich mittlerweile glaube, dass es tatsächlich niemanden gibt, der mir aus meiner Tragödie heraushelfen kann. Nicht einmal meine Freunde scheinen meine Depression zu erkennen, sind schließlich viel zu sehr mit ihren dummen Späßen beschäftigt, die sie jeden Tag aufs Neue aus ihrem Sack der Borniertheit herausholen. Ich kann nicht mehr so tun, als müsste ich darüber lachen. Ich bin es leid, meinem Umfeld aus Höflichkeit Interesse vorzutäuschen, das nicht einmal ansatzweise existiert. Ich bin es leid, dieses Leben zu leben, bringe mich nur deshalb nicht um, weil ich stetig glaube, dass es eigentlich nur noch besser werden kann, was sich aber dann doch nicht bewahrheitet. Das Schlimmste an meinen Sentiments ist, dass ich nur mir die Schuld für jene Depression geben kann. Soweit ich das erkennen kann und soweit das Bild, das ich mir von der Menschheit gemacht habe, einigermaßen korrekt ist, verhalten sich meine Freunde sogar noch übermäßig vernünftig und erwachsen für ihr Alter. Dennoch scheinen mir die meisten Gesprächsthemen bereits so abgeklärt und dadurch so unerwähnenswert, dass ich mich meistens nur die erste Stunde, und dies auch nur aus Höflichkeit, sozial integriere, wobei ich die restliche Zeit schweigend dabei sitze und meinen eigenen Gedanken nachhänge. So zieht es mich manchmal schon so stark in die Einsamkeit, dass ich viel lieber alleine quer durch Wien marschieren und innerlich meine Gedanken reflektieren würde, als mit meinen Freunden in ein Café zu gehen.

Schopenhauer meinte, wenn ich mich richtig erinnere, dass die Langeweile das schlimmste Übel der Menschen ist, aus der dann schlussendlich auch die Schwermut entspringt und, dass all diejenigen, welche als geistig eminent gelten umso mehr Probleme haben, etwas an anderen Menschen zu finden, das ihre Langeweile stillen könnte. Ich würde gern einen Teil meines Wissens ablegen, damit ich endlich wieder in der Lage bin, mich über gewöhnlichere Dinge zu wundern oder zu freuen, denn umso mehr man bereits erkannt hat, desto weniger gibt es noch für einen zu erkennen, und umso weniger es zu erkennen gibt, desto weniger gibt es über das man sich wundern könnte. Da aber das Wundern unsere eigentliche Glücksquelle darstellt, welche immer wieder Faszination und Fesselung in uns wecken kann, fehlt mir die Motivation, ein solches Leben, dessen Profanität ich bereits zur Gänze erkannt habe, weiterzuleben. 

 

 

GEDANKEN VOM 18.11.03

 

Das aller Schlimmste an dieser Tragödie ist, dass sie nur in meinem Kopf existiert, dass niemand sie mit freiem Auge erblicken und, dass ich von niemandem Mitleid erfordern kann, für eine Sache, die sich so von den gewöhnlichen Problemen unterscheidet und in einer Illusion begründet liegt, welche auf reiner Abgehobenheit basiert.

Ich sehe nun, dass diese Tragödie im Begriff ist, sich als lächerliche Komödie zu offenbaren, wo das Einzige, was tragisch zu nennen ist, aus dem verblendeten Egoismus des Protagonisten besteht, welcher sich selbst als so unheimlich wichtig und benachteiligt zu erkennen glaubt, dass er übersieht, dass er nicht alleine auf der Bühne steht. 

 

 

GEDANKEN VOM 19.11.03

 

Wie soll es bloß mit mir weitergehen? Ich brauche dringend etwas, das meinem Leben einen Sinn gibt, etwas, das ich mir tagtäglich vor Augen halten kann, damit ich Kraft und Mut habe, weiterzumachen. Doch ich suche vergeblich danach. Manchmal denke ich mir, mir fehlt es ganz einfach an Liebe, an einem festen Partner, dem ich alles erzählen kann. Leider kann ich mir schwerlich vorstellen, dass dies auf lange Dauer irgendetwas ändern würde. Ich bin wohl ein Mensch, der in erster Linie für sich selbst lebt, der seinen Kummer lieber in sich hineinfrißt, als irgendjemandem  zu offenbaren, was es genau mit seiner Depression auf sich hat. Woran liegt das? Habe ich Angst, mir könnte jemand sagen, dass alles nur halb so wild ist, dass ich eigentlich keinen Grund habe traurig zu sein und, dass sich alles irgendwann einmal arrangieren wird? Nein, ich glaube kaum. Eher scheint sich in mir die Überzeugung breit gemacht zu haben, dass fast niemand auch nur ansatzweise in der Lage ist zu verstehen, was ich durchmache und, dass jeder Versuch mir zu helfen, zwar durchaus von mir als nette Geste wahrgenommen werden würde, aber im Grunde nicht mehr als eben nur ein Akt einer Handlung ist, welche an ihrer Intention vorbeischießen würde, weil nur diejenigen, das Problem an der Wurzel packen könnten, welche auch in der Lage sind, sie unter der dichten Erde der menschlichen Oberflächlichkeit zu finden, und das würde bedeuten, dass man es nicht nur kennen, sondern auch selbst empfinden muss. Ich müsste also jemanden finden, der exakt das Gleiche durchmacht wie meinesgleichen, der meine Leiden nicht nur verstehen, sondern auch nachvollziehen kann, weil sie ihn selber quälen, doch bis jetzt war meine Suche, nach einem solchen Individuum vergeblich. Es gibt zwar doch einige wenige von dieser Sorte, aber sie sind längst tot und sprechen nur über ihre niedergeschrieben Worte zu mir, was mir, aufgrund ihrer unüberbrückbaren Distanz, aber nur wenig Trost spenden kann. Die Rede ist von Persönlichkeiten wie Schopenhauer oder anderen pessimistischen Philosophen, wobei mir ihre Bücher zwar helfen, meine Depressionen zu durchblicken, aber nicht, sie in Glücksgefühle umwandeln zu können, denn ihrer Behauptung nach, existiert ja Glück nicht, sondern nur die Hoffnung und Sehnsucht danach, welche uns glauben macht, es hätte Sinn am Morgen aufzustehen, seinen Pflichten nachzugehen, sich in seinem sozialen Umfeld zu integrieren und zu profilieren, wobei dies doch eigentlich purer Unsinn ist, was wir aber erst begreifen können, sobald wir wissen, dass das Glück nur eine Fata Morgana ist, der manche Leute ewig nachjagen, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass sie schon an etlichen Sanddünen, wo sie früher die Oase zu finden glaubten, vorbeigerannt sind, ohne, dass man auf dergleichen auch tatsächlich gestoßen wäre. Nur weil sich das wunderbare und anziehende Bild der Erfüllung all ihrer Träume stetig vor ihnen am Horizont abbildet, glauben sie, nur noch wenige Meter weit laufen zu müssen, bis sie jenes auch in ihrer angeblichen Wahrhaftigkeit erreichen können, doch der Lauf dauert bis in den Tod und hat auch dort sein Ziel nicht erreicht, vorausgesetzt sie geben nicht früher auf und bemerken wahrheitsgemäß, dass diese Oase gar nicht existiert, sondern nur Schimäre ist, ein furchtbar reales Phantasma, das versucht sie weiter durch die Wüste zu jagen, wobei sie sich nur einmal kurz von diesem Bilde abwenden müssten, um zu erkennen, dass alles um sie herum, nur aus Sand besteht, dessen einzige Besonderheit in ihrer Sinnlosigkeit und Einfältigkeit liegt, nicht aber im Besitz einer einzigen Sache ist, welche ein Leben auch wirklich lebenswert machen könnte.

Einsam sitze ich also im Sand und beneide die Menschen um ihre Naivität, auf Grund welcher sie noch in der Lage sind, an etwas zu glauben, das nicht existiert. Mitleid kann ich für sie nicht empfinden, obgleich sie sich hier durch die trostlose Landschaft mühen wie gejagte Tiere, denn zumindest haben sie noch etwas, an das sie glauben dürfen und vermutlich wird ihr Tod sie eher einholen als die Desillusion darüber, dass nichts so ist, wie man es uns immer versprochen hat.

Ich würde gern mitlaufen, aber meine Beine sind lahm.

Der Glaube an das Glück ist etwas, das nicht wiederkehrt, sobald man es einmal zur Gänze verloren hat. Oder rede ich mir das nur ein?

 

 

GEDANKEN VOM 30.11.03

 

Entweder diese Welt ist fehlerhaft und unzureichend, oder meine Wahrnehmung von ihr ist fehlerhaft und unzureichend. So oder so bleibt die Tatsache, dass ein positives Verhältnis zu ihr unmöglich ist. 

 

 

GEDANKEN VOM 06.12.03

 

Heute ist Schulball. Am besten ich erwarte überhaupts nichts von dieser Veranstaltung, halte sie gänzlich meinem Bewusstsein fern, denn entweder ich male mir wunderbare Szenen aus, nur um dann von der Unzulänglichkeit der Realität desillusioniert zu werden, oder ich gehe schon mit niedergeschlagenem Gemüt ins Geschehen, da ich davon überzeugt bin, dass es ohnehin viel schlechter wird, als ich es mir vorstelle. Beides sollte vermieden werden, weshalb ich keinen Gedanken daran verlieren möchte und deshalb auch erstmal nichts diesbezügliches zu sagen habe.

  

 

GEDANKEN VOM 18.12.03

 

Ich kann euch keine atemberaubenden Landschaftsbeschreibungen liefern, denn dafür fehlen mir die Bilder im Kopfe. Auch keine romantischen Märchen werdet ihr von mir hören, da mir der natürliche Sinn für die Träumerei schon seit Langem abgeht. Ich träume höchstens in Tatsachen, oder sagen wir lieber, ich träume in dialektisch verfahrenden Begriffen.

Philosophie ist leider keine Wissenschaft im konventionellen Sinne, da bei deren Ausübung, die Distanz zwischen Wissenschaftler und Wissenschaft nicht gegeben ist, stattdessem beide Instanzen verschmelzen, sodass jede Erkenntnis es vermag, das Gemüt des Philosophen stark zu suggerieren. Hingegen der Physiker wird sich über fast jede Erkenntnis erfreuen, die ihm die Physik liefert, da es in den Naturwissenschaften keine Wahrheiten gibt, die die Menschen arg beunruhigen könnten, es sei denn, man zähle die seltenen Prognosen von plausiblen Katastrophen dazu, die jedoch meistens zu verhindern oder wenigstens vorzubeugen sind. Die meisten philosophischen Erkenntnisse jedoch sind keine Ratschläge, wie man fälschlich glauben könnte, sondern sind Postulate der rauen Wirklichkeit, die meistens sogar mehr Probleme schaffen, als sie zu lösen vorgeben. Dem Philosophen geht es nicht um Orbitalmodelle, Magnetismus oder Teilchenschwingung, ihm geht es um den Sinn seiner eigenen Existenz, womit jede Erkenntnis, jede Eingebung, jedes Postulat für ihn richtungsweisend wird. Die psychische Einstellung vermag nichts so sehr zu beeinflussen wie die Philosophie. Deshalb ist auch keine Wissenschaft für den Menschen gefährlicher.

 

 

GEDANKEN VOM 26.02.04

 

Es ist lange her, seitdem meine Gedanken hier ihren Niederschlag finden konnten, nun aber verlangt meine Seele wieder, sich auf dem Blatte zu verteilen, als könne sie die Kälte in meinem Körper nicht länger ertragen.

Die letzten Tage waren trist und leidvoll, was nicht unbedingt etwas Neues darstellt. Dennoch waren sie wesentlich schlimmer, als zahlreiche Tage davor, und ich hoffe auch schlimmer, als die Tage, welche noch folgen werden. Würde es endlos so weitergehen und diese Tendenz meiner Unzulänglichkeit sich in gleicher Regel fortsetzen, so könnte ich wohl nicht einmal mir selbst versichern, das Erdenlicht noch lange zu erblicken.

Gleichzeitig fühle ich mich aber fern von Suizidgedanken, habe sie tatsächlich nur äußerst selten, als gäbe es trotz meiner Diskrepanz zur Wirklichkeit, noch eine Aufgabe, die ich unbedingt erfüllen muss. Ich weiß nicht, worin eine solche Aufgabe bestehen sollte, harre aber dennoch aus, in dem Glauben, das in meiner Zukunft noch etwas auf mich wartet, das nicht nur für mich, sondern für die gesamte Menschheit von Bedeutung sein wird.

Nennt mich einen Größenwahnsinnigen, vielleicht bin ich es ja. Vielleicht war aber jeder Genius größenwahnsinnig bevor er seine wirkliche Größe, die seine Abgehobenheit rechtfertigen konnte, erreichte. Wie auch immer, ich werde warten.

 

Man sagt, die Welt ist klein, aber ich hoffe das Gegenteil. Ich wünsche mir von der Welt, dass sie mich endlich mal wieder überrascht, mir endlich wieder Stoff zum Nachdenken gibt, der mir mittlerweile bitter abgeht. Und deshalb muss sie groß sein, endlos groß, sodass ihre Mannigfaltigkeit an Ereignissen, mich immer wieder aufs neue frappieren kann. Wenn sie das nicht vermag, so ist es mir auch erlaubt, enttäuscht von ihr zu sein, da sie es trotz ihrer allumfassenden Existenz nicht zu Wege bringt, ein primitives kleines Element aus ihrem großartigen Bauwerk zufrieden zu stellen. Die Welt sollte sich schämen, aber sie vermag ein derartiges Gefühl nicht einmal zu empfinden. Der Welt ist alles gleich, sie zeigt ebenso wenig Interesse an mir, wie an ihr selbst. Sie steht mit sich selbst in ewigem Kreislauf, lässt das Sein streben und sterben, beherrscht Himmel und Meere, Planeten und Sterne, Raum und Zeit, aber eigentlich existiert die Welt gar nicht, ohne dass es an uns läge, sie wahrzunehmen. Wir sind ihr Selbstbewusstsein und kein anderes Organ ihrer Vollkommenheit, als das Bewusstsein bringende Leben, kann ihre Existenz reflektieren und sie somit erst zu einer solchen machen. Statt uns aber Dankbarkeit zu zollen und mit Glücksgefühlen zu überschütten, lässt sie uns an ihrer eigenen Schöpfung leiden.

 

Würde Gott wirklich existieren, so wäre er nicht nur ein unverbesserlicher Egoist, sondern er müsste notwendigerweise auch mit sich selbst unzufrieden sein.

 

 

 GEDANKEN VOM 01.03.04

 

Ich begann heute Homo Faber von Max Frisch zu lesen und war sofort wieder gebannt, von dem unverwechselbaren, apathischen Stile dieses wunderbaren Autors. Er schreibt, wie man meint zu denken. Sachlich, ungezwungen, ehrlich und realistisch.

Leider bin ich selbst nicht dazu in der Lage, mich zu solchen Höhen der literarischen Kunst aufzuschwingen. Meine in Worte gehüllten Empfindungen wirken künstlich, teilweise pathetisch, und meine unnötig langen Sätzen scheinen affektiert und synthetisch, als würde man all die Schleifspuren sehen, welche sie erlitten haben, bis sie endlich das darstellen konnten, was sie im Endeffekt waren. Ich fürchte mich davor, gerade im Schreiben, also in jener Tätigkeit unzureichend zu sein, auf der all mein Wille zum Leben im Moment ausgerichtet ist. Ich möchte der Welt in meiner eigenen Sprache wieder zurückgeben, was sie mir, sowohl in Schmerzen wie als auch in Freuden, in ihrer Sprache gegeben hat, möchte mich erkenntlich wenn auch nicht unbedingt dankbar zeigen, in ihr existiert haben zu dürfen, auch wenn ich weiß, dass ich dieser völlig gleichgültig bin und schon immer war, und mein Bedürfnis rein metaphysischer, also nicht wirklicher Natur ist.

Vor allem möchte ich aber jene Menschen unterstützten und ihnen Mut zusprechen, die in ferner Zukunft eines meiner Bücher aufschlagen mögen (sofern ich irgendwann welche veröffentlichen werde), und sich darin selbst wiederfinden, möchte ihnen sagen, dass sie trotz ihrer scheinbaren Einsamkeit, keinen Grund haben, sich alleine zu fühlen, da es tatsächlich jemanden gegeben hat, der genau dieselben Leiden durchmachen hat müssen und dennoch im Stande dazu war, sich selbst zu überleben.

 

 

GEDANKEN VOM 01.03.04

 

Die Depression, der Hauptgrund dieser meinen Tragödie, könnte ein Resultat einer infantilen Überschätzung der Welt, sowie der darauf folgenden schwerwiegenden Desillusion durch das im Erwachsenwerden eintretende, realistische, ja gerade zu mechanistische, Denkverhalten, sein, durch die Zerstörungswut des Realismus hervorgerufen, welcher das Kindheitsideal fortscheucht, als wäre es obsolet geworden. Alleine, ich kann nicht glauben, dass eine solche Glücksquelle jemals obsolet werden kann, da dieser Begriff voraussetzt, dass es nun mehr (also zeitlich bedingt) keinen Nutzen mehr gibt, den das betreffende Objekt (in unserem Falle das Ideal) erfüllen kann, bzw. dass es von einer anderen Variante abgelöst wurde, die wesentlicher besser, also in der Ausführung der Intention effizienter verfährt, als die veraltete. Gerade dies aber glaube ich in jenem Falle am wenigstens, und tatsächlich sehne ich mich verzweifelt danach, wieder Kind sein zu dürfen, obgleich viele behaupten, dass ich gerade ein solches noch immer sein kann. Nun, ich glaube es nicht.

 

[...]

 

GEDANKEN VOM 02.03.04

 

 

Meine Freunde beginnen langsam, mich zu ignorieren, dabei tun sie es gar nicht absichtlich, sondern nehmen mich ganz einfach nicht mehr wahr, als hätte ich aufgehört zu existieren. Vielleicht habe ich das ja wirklich, in einem gewissen Sinne, vielleicht habe ich mich schon so sehr meinem Umkreis entfremdet, dass ich selbst nicht mehr anders als fremd für sie sein kann und somit als etwas Unbekanntes ein Negativum darstelle, ein Nichts, also etwas, das nicht existiert.

Eben habe ich sie angerufen, zwei von ihnen, eigentlich die einzigen zwei, um die es geht, nämlich zuerst A. und dann M.

Ich weiß nicht, ob es passend ist, hier von ihnen zu erzählen. Aber ich will versuchen, diskret zu bleiben und keine Bemerkungen zu machen, welche eine Freundschaft aggressiv gefährden könnten. A. ist mein bester Freund, aber sicherlich nur, weil ich keinen Besseren habe. Natürlich nur Tautologie, welche allerdings doch etwas aussagt. Es liegt weniger an ihm, als Person, als an seinem Verhalten und unserer sehr mageren Wechselwirkung, was mich irgendwie von ihm separiert hat. Was der Auslöser war, weiß ich nicht genau, aber es gibt mehrere Möglichkeiten:

Erstens wäre da mal mein eigenes Verhalten, das sich durch meine philosophischen Reflexionen, wohl gravierend geändert hat, in den letzten drei bis vier Jahren. Ich erinnere mich aber, dass es für A. nie ein Problem war, wenn ich ihn mit Thesen überschüttet habe, er selbst sogar oft darauf eingestiegen ist, affirmiert oder dagegen argumentiert hat, ohne es an dem fehlen zu lassen, das mir heutzutage fehlt. Es ist also wahrscheinlich, dass es nicht alleine meine Person oder die Konsequenz meiner philosophischen Tätigkeit alleine gewesen sein kann, sondern auch ein anderer Pol an dieser Wechselwirkung beteiligt war, ob nun unbewusst oder bewusst.

Nun kommt M. ins Spiel, und ich will versuchen, zu schildern, weshalb auch sie zum Teil dafür verantwortlich sein könnte (Was will ich eigentlich? Suche ich Sündenböcke für meine eigene Vereinsamung? Vereinsamung ist immer selbstverschuldet, da alleine derjenige ist, welcher alleine gelassen wurde, hingegen einsam der, welcher selbstständig in die Einsamkeit geflüchtet ist. Es wäre also absurd nach Sündenböcken meiner Vereinsamung zu suchen, da ich selbst sie doch irgendwann gewollt haben muss und sicher irgendwann damit begonnen habe, an völlig anderes zu denken, mich praktisch abzukapseln, das Ohr taub werden zu lassen, während meine Freunde neben mir im Café saßen und sich auch ohne mich prächtig amüsierten.

Vielleicht wollte ich mein Umfeld darauf prüfen, wie viel ich ihnen wirklich wert war, vielleicht wurde ich aber einfach nur so überheblich, dass ich verlangte, auch so geliebt zu werden, als völlig unterkühlter, wenn auch nicht boshafter, dafür aber sehr zynischer Mensch, wortkarg und indifferent, apathisch und charakterlos. Natürlich klappte das nicht, und mir ging ein Licht auf, was die Menschheit betraf und was ihre Sozietät im Innersten zusammenhielt, und es war nicht die Liebe, nicht der Humanismus, nicht die Moral. Es war die Eigenliebe, und die Verhüllung dieser Eigenliebe, in den Gesten der gesellschaftlichen Normen. Ich verstand plötzlich, weshalb ein so komplexes Gefüge funktionieren konnte, weshalb so zahlreiche Menschen, alle vom blinden Egoismus getrieben, trotz ihrer Animalität vernünftig zusammenleben konnten und sich gegenseitig liebten. Es war die Eigenliebe, die bloße Eigenliebe, welche die Menschen umfasste, wenn sie sahen, wie ihnen die Leute zuhörten, wie sie teilnahmen, an dem was sie waren, und sich damit zufrieden zeigten, sodass ihre Eigenliebe noch größer wurde und nach mehr verlangte.

Zumindest glaubte ich das.

Heute weiß ich, dass es nicht ganz so schlimm ist, und auch das Mitleid die Stütze der Gesellschaft ist, welches, als solches, doch ein um einiges angenehmerer Begriff ist, als der teuflische Egoismus.)

M. ist ein nettes Mädchen aus meiner Klasse, Mutter aus Polen, Vater aus Österreich (oder umgekehrt, bin nicht sicher). Sie ist sehr extrovertiert, zeigt sich äußerst enthusiastisch in Gesprächen, wirkt fast übertrieben und theatralisch, was mir nicht immer gefällt. Sie schafft es aber, ihrem Umfeld den Glauben zu vermitteln, sie läge wert auf die Meinung, auf die Erlebnisse oder Erzählungen des Gegenübers, bis man diese Falschheit durchschaut, welche sie aber, ich bin mir sicher, nicht mit Absicht in sich trägt. Falsch ist sie deshalb, weil sie in ihren Freunden den Eindruck hinterlässt, man sei etwas Besonderes, während sie doch mit jedem, mit der selben Hingabe spricht, also offensichtlich gar keinen Unterschied zwischen ihren Freunden macht, was darauf hindeutet, dass sie wohl doch eigentlich nur von sich selbst fasziniert sein kann, von ihrer Art, wie sie mit Menschen umgeht, wie sie sie umspinnt, mit Fäden aus glänzender Seide, so dass ihre Opfer zu verblendet sind, um hinter den Irrtum zu kommen, der sie an ihrer eigenen Bedeutung für diese Person glauben lässt.

Nun, mir ist es irgendwann aufgefallen, allerdings erst, als ich versucht habe, ihr irgendwie näher zu kommen, was vielleicht so den Anschein macht, als sei mir diese Einsicht nur aus emotionaler Enttäuschung gekommen. Nun, wenn auch der Ursprung dieses Problem eine solche Enttäuschung war, so ändert dies dennoch nichts an der Tatsache, dass meine Erfahrungen, zusammengesetzt aus meinen eigenen und den tradierten Erfahrungen von Freunden, zu dem Schluß führten, wie sie wirklich war, in ihrem Inneren, und was diesen Enthusiasmus, diese Lebensfreude, welche mir selbst so sehr abgeht, eigentlich begründet. Natürlich hätte ich auch darauf schließen können, dass es bei ihr bloße Menschenliebe ist, alleine, ich glaube schon lange nicht mehr an so etwas. Im Außergeschlechtlichen gibt es nur das Mitleid oder die Mitfreude, nicht aber die Liebe, wie sehr der Humanismus auch darauf bestehen mag (Und wenn sie existierte, so könnte man sie nicht beschreiben, sondern nur versuchen, dieses Gefühl durch Erlebnisse anzudeuten, es im Sprachlichen zu reproduzieren, nicht als Tatsache, sondern als Surrogat der Empfindung, um dieses Gefühl im Zuhörer synthetisch auszulösen)

M. liebt die Menschen also nicht, sondern nur sich selbst, durch die anderen hindurch allerdings, sodass zufälligerweise nicht nur sie selbst daraus Nutzen schlägt. Es ist in diesem Fall also der Zweck eigennützig, jedoch nicht die akzidentellen Mittel, und nur der Zweck kann aus unbeschränkter Willensfreiheit entstehen, aus letztlicher und unmittelbarer Intention des Subjektes.

Nun, was auch immer M. dazu treibt, ihren Freunden gegenüber hingebungsvolles Interesse vorzutäuschen, obwohl dieses gar nicht existiert (sie lacht oft, ohne zu wissen, was gesagt wurde), Tatsache ist, dass ich in ihr wohl meinen vollkommensten Gegensatz finde, in der Art, wie sie mit ihren Freunden umgeht, und im Verhältnis von tatsächlichem und vorgetäuschtem Mitgefühl.

Dies würde mich alles nicht so stören, wenn ich nicht merkte, dass trotz ihrer Falschheit, jeder auf sie hineinfällt, jeder diesem Mädchen nachrennt, ohne zu wissen, dass sie nur angelockt werden, weil ihr Schweiß das Lebenselexier Ms Eigenliebe ist, welche ihr wohl so bitter nötig erscheint.

So kam es auch dazu, dass A., mein bester Kumpel, sich in ihren Fäden verfangen hat, ich selbst ihn aber nicht herauslösen konnte, da er mir ohnehin nicht geglaubt hätte, wenn ich ihm von meiner Feststellung über ihr Verhalten, berichtet hätte. Auch bin ich mir nicht so sicher, ob es bei ihm nicht etwas anderes ist, und hier nicht doch ein wenig Ehrlichkeit mit im Spiel ist.

Tatsache ist, dass ich mir nun alleine vorkomme, nicht einsam, sondern definitiv alleine, was mich sehr stört, da ich es doch immer gewohnt war, mich selbst in diesen Zustand zu versetzen, nicht aber von irgendjemandem anderen, darin eingekerkert zu werden. Und mir kommt es nun mal wie eine Kerkerung vor, wenn man auf dem Handy, trotz hunderter Anrufe nicht abhebt, was beide zumeist gleichzeitig tun, obwohl ich ganz genau weiß, dass sie jetzt im Stein (ein Café in der Nähe der Votivkirche) sitzen, sich amüsieren, plaudern, den unnötigen Teil ihrer Gesellschaft ignorieren, den ich darstelle, was sie mir damit ja beweisen.  

Sie wollen alleine sein, das verstehe ich, und ich verstehe auch, warum sie es nie zugeben und sich die ganze Zeit auf andere Umstände, die gewiss gar keine Rolle spielten, hinausreden. Sie mögen sich eben, ohne zusammen sein zu können, das verstehe ich. Warum also sollte ich ihnen das verübeln? Vielleicht weil ich mich dabei ausgeschlossen fühle, und weil sie verdammt noch mal draufkommen sollten, ohne dass ich sie ständig darauf hinweise. Ich bin enttäuscht, aber vor allem bin ich es von mir selbst. Ich dachte, ich könnte mit den Menschen klar kommen, besser gesagt: ich habe nie daran gezweifelt. Doch jetzt erscheint mir dieses Vorhaben immer schwieriger, sodass ich mich noch weiter von den anderen distanziere, weil ich ihre selbstverliebten Fratzen, die sich in ihrem eigenen Glück ersäufen, bis sie nicht mehr klar denken können, nicht mehr sehen kann, weil ich befürchte, dass ich der einzige bin, der merkt, dass nicht nur man selber, die anderen täuscht, sondern man selbst auch getäuscht wird, ständig, ja immer schon sobald man nur ein Wort mit jemandem wechselt. Diese Täuschung ist Routine geworden, natürlich, aber das macht die Sache nicht besser, genau so wenig wie die Menschen, die täuschen.

Man könnte fragen, warum ich mich denn eigentlich noch mit M. und A. und all den anderen abgebe, wenn ich doch eigentlich meine, ihre Falschheit durchschaut zu haben. Nun, vielleicht weil ich Angst habe, wieder alleine sein zu müssen, wieder als Außenseiter behandelt zu werden, nach der langen Zeit meiner sozialen Hochblüte, und ich es bereuen werde, wenn es dann wirklich so weit gekommen ist und niemand mehr an mich denkt. Der Mensch ist ein Zoonpolitikon, oder so ähnlich, ein Gesellschaftswesen, das meinte schon Aristoteles. Ohne die Gesellschaft, bestehend aus fremden Individuen, kann er nicht existieren, sondern wird allmählich untergehen, wird schwermütig, träge, bis er seinem Leben schließlich selbst ein Ende macht, da er sein eigenes ICH nicht mehr ertragen kann.

 

Es ist spät, ich werde jetzt lieber schlafen gehen

 

 

GEDANKEN VOM 04.03.04

 

Wahrscheinlich ist es gar nicht die Welt, welche mich stört, zumindest wäre es unsinnig darauf zu beharren, dass die Welt besser sein könnte, als sie ist, solange es einer kategorischen Tatsache entspricht, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, sie gar nicht anders sein könnte, sodass ein kontemplatives Leiden daran, nicht von Nutzen und dem Zwecke des Leidens nicht dienlich sein kann, da jeder Schmerz nur dazu da ist, die Psyche darauf aufmerksam zu machen, was dem ICH im Gesamten (also betreff der Marterie und dem Geist) fehlt. Das Leiden ist also eigentlich nur da, um den Menschen dazu zu bringen, etwas an seinem Status zu verändern, das dem Willen des Lebens entgegen ist. Im Falle des Weltschmerzes hätte es also schlechthin keinen Sinn.

Es entspricht nun einer Tatsache, dass das Leiden in mir eine Art Selbstzweck entwickelt hat, dass sich nämlich, durch das Einmischen psychologischer Reflexionen, das Leiden stetig selbst zu neuem Leiden motiviert, indem es zu einer Wechselwirkung zwischen negativen Empfindungen und negativen Gedanken kommt. Aus diesem Teufelskreis auszubrechen gelingt mir zwar hin und wieder, jedoch nicht ganz so häufig, als dass nicht das Leiden die Übermacht über mein Dasein ergreifen würde, indem es sich jeden Tag, zu jeder Stunde irgendwie bemerkbar macht.

 

 

GEDANKEN VOM 07.03.04

 

Heute lief es gut, mit meinen Freunden, meine ich. Ich habe gemerkt, dass ich doch noch zu sozialer Interaktion fähig bin, welche die Leute belustigen und mich sogar selbst glücklich machen kann. Es lag dies wohl, ich bin mir sicher, an der Ablenkung von meinem eigenen Ich, die mir durch die Hinlenkung auf meine Freunde ermöglicht wurde, an dem Niederreißen der Mauer meiner Selbstreflexion, welches das Mitgefühl und so auch die Freude am Miteinander sonst immer unmöglich gemacht hat. Ich weiß nun also, dass es geht, wenn ich nur will, und dass ich jederzeit die Möglichkeit habe, wieder gänzlich einzutreten, in die Gesellschaft, geliebt zu werden, von der Gesellschaft, sodass sich mir die Frage aufdrängt, weshalb es eigentlich so weit kommen konnte, worin denn eigentlich der Grund für meinen Rückzug ins Refugium des wehmütigen Ichs gelegen hat, wenn nicht an der Enttäuschung durch meine Freunde. Nun, wohl kann es dafür keine andere Ursache gegeben habe, als dass ich es selbst gewollt habe, ich mich selbst gewählt habe, als ich vor der Wahl stand, ob ich lieber mich oder mein Glück vorziehen sollte. Jetzt gilt es nur noch herauszufinden, ob diese Entscheidung die richtige war, denn noch ist sie nicht endgültig, noch lassen sich die Mitteln modifzieren, welche mich zu meinen Zwecken führen, welche nicht nur im Glück, sondern vor allem in der Selbstverwirklichung liegen, und mir scheint, es wäre eitel zu glauben, diese könnte ich nur durch erzwungene Selbstreflexion und philosophisches Gehabe erlangen.

Ich frage mich, weshalb Schopenhauer denn nie auf dieses Phänomen der Gesellschaft gekommen ist, ich meine das Phänomen des Mitgefühls, dass einem auch Freude und nicht nur Leid übermitteln kann, wundere mich darüber, dass er stattdessen nur auf die negative Seite der Medaille geblickt hat, dem Mitleid, welches zwar durchaus von größter Notwendigkeit, doch eben noch nicht alles ist, zu was der Mensch im Miteinander fähig ist. Diese Erkenntnis hätte ihn nicht nur glücklicher gemacht, sondern seine Schriften hätten dadurch wohl auch einen Hauch mehr Weisheit erlangt, welche sich nämlich dadurch nur beschränkt in seinen Worten finden lässt, da er sein Augenmerk immer nur auf das gerichtet hat, was sein Leiden rechtfertigen sollte, da er sich nicht eingestehen konnte, dass nicht die Gesellschaft, nicht die objektive Welt, sondern nur er allein, dieses Leiden bejaht hat. Anstatt also Gründe für das menschliche Glück zu suchen, hat er nur Ausschau nach denen des Schmerzes gehalten. Darin lag der eigentlich Grund seines Pessimismus, und weniger in seinem überragenden Intellekt, und seinem verkannten Genie, auch wenn er dies wohl gerne von sich annahm.

 

 

GEDANKEN VOM 07.03.04

 

Mir fehlen die Worte, meiner Verzweiflung an dieser Welt Ausdruck zu verleihen, aber vielleicht ist es ja auch besser so. Kaum auszudenken, wie sehr sich mein Zustand verschlimmern würde, wenn ich die Erscheinung meines Leidens, mit Begriffen ausstaffiert, schwarz auf weiß vor mir stehen hätte. Das würde meinen Qualen eine Realität verleihen, die nicht zu aller Sicherheit behauptet werden kann, da eigentlich weder Glück noch Schmerz existent sind, sondern lediglich Erscheinungen des befriedigten und unbefriedigten, jedoch blinden Willens. Vielleicht liegt die Unerträglichkeit unseres Daseins in der Gewissheit der Bedeutungslosigkeit von Ebbe und Flut unseres Gemüts, die uns so sehr beeinflussen, wie der Sturm das Meer, vielleicht aber ist alles bedeutungslos, und es ist dies, was wir nicht ertragen können. Es fehlt dem Philosophen, nach langer Forschung seiner eigenen Gedankenwelt, die Essenz, an welche er seine eigene Wertschätzung anheften kann, es fehlt ihm schlichtweg der nötige Zweck, welches Ziel seines Ideals genannt werden kann. Er zweifelt und dieses Zweifeln ist nicht nur Ausdruck des Bewusstseins seiner eigenen Sinnlosigkeit, sondern auch der Sinnlosigkeit der Welt im Gesamten. Denn ein Ideal würde ihm die Hoffnung auf eine bessere Welt erleichtern, würde ihn glücklicher machen, da er weiß, dass sein Streben einen Sinn hat, auf das all sein Handeln ausgerichtet werden kann. Es gilt also ein solches Ideal zu finden, ganz gleich, wie es aussehen mag, ob moralisch  oder eigennützig, ob von der Masse anerkannt oder verachtet, ob es allgemeinen Werten entspricht oder innovative, revolutionäre Werte postuliert. Das Ideal muss nur ein einziges Kriterium erfüllen. Es muss eine absolute Sinnhaftigkeit in sich tragen.

 

 

GEDANKEN VOM 25.03.04

 

Vielleicht bin ich ganz einfach noch nicht so weit, meine Gedanken in Worte zu transfigurieren. Vielleicht sollte ich noch warten, bis mein Leben wirklich begonnen hat, bis meine Weisheit einen derartigen Grad an Gültigkeit erreicht hat, dass ich sie ohne Gewissensbisse an andere weiter geben kann. Ich könnte mich sonst schuldig machen, andere in meinen Strom des Zweifels mitzureißen, anstatt sie gerade dort herauszuholen, könnte riskieren, dass ich anderen das Leben verderbe, mit meinen Predigten der existenziellen Absurdität und Sinnlosigkeit. Aber wahrscheinlich erreiche ich die Menschen ohnehin nicht, wahrscheinlich entspricht meine Welt gar nicht der ihrigen, so dass das Geschriebene gar keinen Wert besitzt, in ihren Augen, keine Validität in ihren Anschauungen. Das Problem ist, ich wüsste nicht, wozu ich sonst da sein sollte, als um zu schreiben. Worte scheinen mir das letzte Refugium zu sein, in der Flucht von meiner eigenen Ekelhaftigkeit, denn indem ich mich von meinen Reflexionen befreie, sie auf das weiße Papier banne und in eine semantische Ordnung bringe, scheinen meine Gedanken tatsächlich an Bedeutung zu gewinnen, Sinnhaftigkeit und Realität zu erlangen, als ob die bloße Form der Aneinanderreihung von Buchstaben die nötige Komponente bildet, um mein Verlangen nach Objektivierung meines Daseins zu stillen.

Ich weiß nicht, ob man mich versteht, wenn ich so rede, aber meine Grunderfahrung spricht dagegen. Ich habe schon aufgegeben, zu sein, wie ich wirklich bin, hülle mich stattdessen in Schweigen, wenn ich unter Menschen bin, errichte eine verspiegelte Mauer zwischen mir und der Außenwelt, damit zumindest ich selbst etwas von mir habe, wenn schon niemand anderer sich für meine Worte interessiert. Aber im Grunde ist es ohnehin gleichgültig, ob man mir nun zuhört oder nicht, denn wenn es etwas gibt, das ich in meinem bisherigen Leben gelernt habe, ist die traurige Tatsache, dass es so etwas wie Verständnis nicht gibt, nicht geben kann, da doch jeder immer nur das versteht, wofür er auf Grund seiner ganz individuellen Subjektivität disponiert ist.

 

  

GEDANKEN VOM 26.03.04

 

Ich erinnere mich, ich hatte diese Sterbensvisionen, als ich jung war. Ich habe über den Tod nachgedacht und konnte schließlich nicht mehr verhindern, mich in die Rolle eines Sterbenden hineinzuversetzen, später dann in die Rolle eines Toten. Ich fand es damals so schlimm, dass ich des Öfteren weinen musste, stetig zu meiner Mutter gerufen habe, »Ich will nicht sterben, ich will nicht sterben«, ohne jedoch verstanden worden zu sein, von den ach so weisen Erwachsenen, denn auf die Frage, was eigentlich nach dem Tod sei, außer ein ewiges und vollkommenes Nichts, antworten sie nur mit Hilfe religiöser Dogmen, die sie selbst nicht zur Gänze verstehen konnten.

 

 

GEDANKEN VOM 28.03.04

 

Hoffnung ist das Zauberwort, Hoffnung ist das Prinzip, auf das zu finden selbst man hoffen sollte, immerzu. Ich will glücklich sein, doch kann es nicht bedingungslos. Meine Ansprüche an diese Welt scheinen die Realität des Gegeben um so vieles zu überschreiten, dass ich gezwungen bin, mir die Bedingungen selbst zu erschaffen. Doch gerade das ist nicht einfach und würde einer Selbsttäuschung gleich kommen, da ich doch ganz bestimmt weiß, dass Hoffnung selbst, nie ohne Enttäuschung ist, die romantische Illusion nie ohne die niederschlagende Desillusion, wobei letztere genau dann am schlimmsten ist, wenn das Gehoffte sich erfüllt, da die Verwirklichung eines Traumes den Traum zerstört, indem sie ihm mit der Profanität der Wirklichkeit befleckt. Das Leid liegt in der Rücksichtslosigkeit der Welt, als faktisch existierende Gegebenheit, an der nicht zu rütteln ist, die Resignation in der Zeit, die unaufhaltsam verrinnt und sich immerzu auf den Tod hin entwickelt, ohne jemals bei einem glücklichen Moment, und sei es nur für eine einzige Sekunde, zu verharren. Der beste Beweis dafür, dass das Leben kein Traum ist, ist die Tatsache, dass die meisten Träume einem schön und sorglos vorkommen. Wäre dieses Leben also ein Traum, so nur einer dieser seltenen Albträume, die sich stetig wiederholen und immer dort ansetzen, wo sie zuletzt geendigt haben, um das Leiden niemals aufhören zu lassen.

 

 

GEDANKEN VOM 01.04.04

 

Vielleicht komme ich einfach nicht damit klar, nichts Besonderes zu sein. Vielleicht vertrage ich es nicht, wie die Menschen sich über dieses Faktum, das sie alle betrifft, schlicht emporheben, als ginge sie diese Wahrheit nichts an. Wer ist nun wirklich arrogant, derjenige, der aus lauter Frust an seiner eigenen Person, geplagt von der Angst vor weiteren Enttäuschungen, sich dazu entschlossen hat, sein Leben alleine zu führen und den anderen Menschen lieber aus dem Weg zu gehen, fest davon überzeugt, dass man auf seine Anwesenheit ohnehin keinen Wert lege, oder eben derjenige, der sein ganzes Leben lang nur so vom Glück verfolgt wurde, weil er zu stumpf war, um sein eigenes Leid und das der Welt zu erblicken, viel lieber den Vergnügungen nacheiferte und sich selbst darüber hinwegtäuschte, dass niemand nun darauf erpicht war, dass er nun unbedingt irgendwo mitkäme, als einzig um Unterhaltung unter die Menschen zu bringen oder sie mit wohltuenden Komplimenten und freundlichen Gesten zu überschütten, die doch allemal niemals ihr Gegenüber, sondern immer nur sie selbst und ihre Selbstschmeichelei betrafen, da sie sich in ihrer stetigen Selbstbeobachtung als das entdeckten, was sie schon immer sein wollten: leutselig, mit hunderten Menschen jeglicher Sorte befreundet, die ihre Eitelkeit zu befriedigen, in der Lage waren, des Weiteren ausgerüstet mit allen möglichen Schnapsideen und stetig darauf erpicht, einen witzigen Kommentar einzuwerfen, der das Ansehen der Person in die Höhe rücken sollte.

Ich habe genug von dieser schleimigen verderbten Masse, die alles mitreißt, was nicht genug Würde und innere Widerstandkraft besitzt, sich ihr zu widersetzen, habe genug von dieser naiven Stumpfsinnigkeit der Menschen, die freudig meinen, dass alles in Ordnung sei, die Welt nicht besser sein könne und morgen doch ein neuer Tag mit neuen Möglichkeiten anbrechen werde, ein Tag voller Hoffnung, von welcher sie genau wissen, dass diese sich mit aller Wahrscheinlichkeit weder morgen, noch in einer Woche, noch in einem Monat, ja viel eher niemals in ihrem Leben verwirklichen wird.

Aber es würde nichts bringen, ihnen das zu sagen. Es würde viel mehr alles noch schlimmer machen, da ich sie vom Himmelreich in den Teufelsschlund hinabzerren würde, nur deshalb, weil ich meine eigene Einsamkeit in den Feuern der Unzulänglichkeit nicht ertragen kann und meine verstümmelten Flügel gleichsam nicht mehr dazu in der Lage sind, derartige Höhen, wie die der Wolken, wo die Glücklichen zu Hause sind, zu erreichen.

 

 

 GEDANKEN VOM 02.04.04

 

Es wird wieder schlimmer, dieses Gefühl der Ausgeschlossenheit, als ob sich mein Eremitendasein nicht aus eigener Freiheit, sondern auf Grund eines äußeren Zwanges entwickelt hätte, als ob ich nicht selbst hätten entscheiden dürfen, dass ich so wurde, wie ich schließlich geworden bin. Ich scheine gegen mich selbst zu arbeiten, scheine mein Ich in zwei Sphären aufzugepalten zu haben, die sich nicht darüber einigen können, wer von ihnen nun das Anrecht darauf hat, sich als das richtige, als das einzig wahre Subjekt zu bezeichnen. Und da ich es mittlerweile selbst nicht mehr weiß, anders gesagt: Da ICH, nämlich dieses, welches ich als drittes Ich besitze, um die zwei vorigen, als Objekte betrachten zu können, es mittlerweile selbst nicht mehr weiß, habe ich offensichtlich Probleme, ungezwungen und als freier Mensch zu handeln, da ich mich immerzu nur beobachte, misstrauisch betrachte, was ich selbst für Fehler machen könnte und faktisch gemacht habe und deshalb den Blick nach außen verliere, weil ich mich selbst nach außen verlege, und mir dieses nach außen verlegte ICH, einen Teil meiner Wirklichkeit verdeckt hält, sodass ich nicht mehr in der Welt, sondern fast nur noch ausschließlich in mir selbst lebe. Doch ich frage Mich selbst noch einmal: »Hast nicht DU aus freiem Willen heraus gehandelt, als Du dich der Gesellschaft abwendetest, hast nicht DU es so gewollt, allein gelassen zu werden und mit dir selbst und deinen Büchern zufrieden sein zu dürfen, bist nicht DU selbst verantwortlich dafür, dass dir der Sinn für alle unwesentlicheren Dinge verloren gegangen ist? Sind es wirklich nur die anderen, die hier an der tatsächlichen Dekadenz der Zwischenmenschlichkeit schuld sind, nur deine Freunde, die DICH nicht mehr wollten? oder ist es nicht etwa doch umgekehrt, und Du wolltest und willst SIE nicht, da du bei jedem Treffen ohnehin nur gelangweilt herumsitzt und kein Wort herausbringst, teilweise vier Stunden lang schweigst, vielleicht ein paar Male gefragt wirst, weshalb du so still bist, ob irgendwas los ist, woraufhin du dann mit größter Anstrengung einige Worte stammelst, um nicht unangenehm aufzufallen?

Du tatest es aus eigener Absicht, aus eigener Freiheit und jetzt schiebst du die negativen Folgen deiner Handlung auf deine Freunde, weil du dir nicht eingestehen kannst, dass du einen Fehler begangen hast. Dies alleine ist die Wahrheit.

 

 

 

 

 

 

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