Ich
befinde mich an einem Strand, ohne zu wissen, wie ich hierher kommen konnte. Die Wellen brechen sich an vereinzelten Felsen,
Möwen bevölkern den Himmel, ein Segelboot ruht auf dem Sand, sonst nichts zu sehen. Da mir nichts besseres einfällt, schiebe
ich das Boot ins Wasser, wundere mich lediglich ein wenig darüber wie leicht es mir fällt. Später beginne ich das Segel herunterzulassen
auf welchem ein ganz wundersames Emblem erscheint, welches ich nicht beschreiben, geschweige denn deuten kann. Da ich nicht
weiß, was ich von dem Zeichen halten soll und meine Augen zu schmerzen beginnen, wenn ich längere Zeit einen Blick darauf
werfe, gebe ich es schließlich auf, daraus schlau zu werden und sehe mich nach einem Steuerrad um. Das ganze Boot scheint
im übrigen sehr alt zu sein. Ich rate: Frühe Mittelalterepoche. Aber wie gesagt, Zeit spielt hier keine Rolle.
Es
dauert nicht lange, da sehe ich den Strand nicht mehr und ich muss mir leider eingestehen, dass ich keinen Punkt mehr habe,
an dem ich mich noch orientieren kann. Aber da ich kein Ziel vor Augen habe, ist es mir gleichgültig und ich fühle mich frei
und ungebunden, glaube für einen kurzen Augenblick, dass es genau dieser Moment war, auf welchen ich, in meinem Streben nach
Unabhängigkeit, so lange gewartet habe.
Wenn
ich versuche an meine Welt zurückzudenken, fällt mir aber auch auf, dass die Erinnerung an meine Heimat, meine Freunde und
überhaupt mein bisheriges Leben immer undeutlicher wird. Die einzelnen Elemente vermischen sich, nehmen in völlig anderer
Konstellation wieder Gestalt an und vermischen sich dann wieder zu einer . Je länger ich auf dem Meer dahintreibe, umso weniger
scheine ich noch über mich selbst zu wissen.
Mein
Name? Doch, ich weiß noch, wer ich bin, aber ich habe Angst, bald nicht mehr zu wissen was ich bin. Es erscheint mir plötzlich
mehr als nur nebensächlich, ob ich zu den fliegenden Möwen gehöre, zum Meer, zum Boot oder zu mir selbst. Mal fliege ich eine
Runde am Himmel und beobachte eine kleine Gestalt am Wasser treiben, mal bin ich selber das Wasser, scheine jemanden zu tragen,
ohne, dass es mir schwer fällt. Ich spiele mit den Wellen, meinen Söhnen und schicke sie mal hier mal dorthin. Dadurch entsteht
ein ganz schönes Durcheinander und die Fische erzürnen sich darüber, meinen, das habe es seit Jahren nicht mehr gegeben, so
ein Chaos. »Das kann ja nur ein Mensch sein! «, sagen sie.
Ich
höre es und finde mich augenblicklich in meinem Körper wieder, der noch immer im Boot sitzt. Aufgrund meiner Spielereien schwankt
es jetzt ungemütlich umher, aber ich kann jetzt nicht wieder das Wasser spielen um die Wellen zu beruhigen. Ich bedanke mich
bei den Meeresbewohnern, dass sie mich daran erinnert haben, was ich bin und fahre weiter.
Beinahe
hätte ich mich in einer anderen Existenz verloren.
Ich
sollte in Zukunft vorsichtiger sein.
Meine Freunde haben mir eine Gefahr scheinbar nicht deutlich genug gemacht, das weiß ich jetzt. Woher soll ich
wissen, dass, wenn sie von »Zeitverzögerung« sprechen, es sich um derartige Zeiträume handelt. Ich treibe schon drei Tage
lang am Meer und frage mich langsam, aber sicher, wie das sein kann. Es existiert nämlich so etwas wie ein Rest, der an dem
Ursprungsort der Reise zurückbleibt, ein Teil, der eben so wichtig ist, wie der, der auf Reisen gegangen ist, dessen Überleben
entscheidend ist für den eigenen Fortbestand. In manchen Fällen kommt es vor, erfahre ich viel später, dass es schon Reisende
gegeben hat, die erzählt haben sollen, dass sie von einer Reise zurückgekehrt sind und feststellen mussten, dass in ihrem
zu Hause nur etwa zwölf Stunden vergangen sind, während sie glaubten, Monate nicht mehr in ihrer Welt verbracht zu haben.
Seltsamerweise erschreckt es mich nicht im Geringsten, ich werde nur äußerst nachdenklich und schaue dem Meer beim Treiben
zu. Ich sehe die Wellen spielen, um die Wette laufen und schließlich gegen mein Schiff stoßen.
Es gibt insgesamt drei Räume: Eine Schlafkoje (ich habe sie noch nie benützt, mir ist nicht nach Schlafen),
eine Küche und einen kleinen Lagerraum, der sich täglich von selbst anfüllt, und zwar immer in den Mengen, in denen vortags
etwas von mir entnommen wurde.
Aber ich bin an diese Ungereimtheiten gewöhnt, seit meiner Ankunft, und sie häufen sich, je weiter ich aufs
Meer rausfahre. Ich bin darüber in keinster Weise beunruhigt oder gar schlimmeres, sehe mich gezwungen einzugestehen, dass
meine Freunde Recht hatten, mit ihrem Geschwafel über Regeln, die hier vielleicht anders liefen oder überhaupt nicht existieren.
Nun
wie auch immer, ich habe das Schiff abgemessen und stelle fest, dass es gewachsen ist, wo wir schon bei der nächsten Skurrilität
wären. Ich habe schon länger das Gefühl, dass mit dem Schiff irgendwas nicht stimmt, aber bewusst wird es mir erst jetzt.