PREISSCHRIFT ÜBER
DIE FREIHEIT DES
WILLENS
Die Preisschrift über
die Freiheit des Willens wurde 1839 von der Königlich Norwegischen Sozietät der Wissenschaften zu Drontheim, im Rahmen eines
Wettbewerbs, preisgekrönt. Sie handelt von der Existenz der Willensfreiheit des Menschen und erörtert, wodurch unser Wille
bestimmt wird und, ob wir wirklich ganz die Herren unserer selbst sind.
Schopenhauers Abhandlung betinnt mit der Definition des Begriffes »Freiheit«,
welcher ein negativer ist, da wir durch ihn nur die Abwesenheit alles Hindernden und Hemmenden ausdrücken.
Es gibt des Weiteren drei Arten der Freiheit:
a) Die physische Freiheit ist die Abwesenheit der marteriellen
Hindernisse jeder Art, z.B. freier Himmel, freie Aussicht, freies Feld, freie Wärme, ein freier Platz etc. Schopenhauer rechnet auch die politische Freiheit hinzu, welche erst dann gesichert ist, wenn das Volk
unter Gesetzen lebt, die es sich selbst auferlegt hat.
b) Die intelltuelle Freiheit hängt vom dem Intellekt, dem Erkenntnisvermögen
des Menschen ab. Nur wenn sich seine Denkfähigkeit im normalen Zustand befindet, demnach seine Motive unverfälscht zu seinem
Bewusstsein gelangen können, kann er intellektuell frei entscheiden.
c) Die moralische Freiheit ist die, welche Schopenhauer in erster
Linie versucht zu erörtern. In ihr geht es um die Frage, ob eigentlich der Wille selbst frei sein kann und ob der Mensch,
obgleich er tun kann, was er will, denn auch wollen kann, was er will.
Schopenhauer merkt bald, dass er den Begriff der Freiheit abstrakter
fassen muss und drückt sie folglich durch die Abwesenheit jeglicher Notwendigkeit aus. Er meint, der Wille selbst sei nur
dann frei, wenn er ohne festgelegte Notwendigkeit wirkt, da eine solche Notwendigkeit dem Willen keinen Freiraum lassen würde,
selbst zu entscheiden. Um den Begriff der Notwendigkeit im philosophischen Sinne zu erklären: Notwendig ist, was aus einem
gegebenen zureichendem Grund folgt. Demnach hat eigentlich alles, was auf der Welt existiert und geschieht, einen Grund, der
in der Vergangenheit liegt, und alles, was in Zukunft passieren wird, ist eigentlich in der Gesamtheit der heutigen Wirklichkeit
bereits impliziert. Dieses Verhalten nennt man allgemein Gesetz der Kausalität, welches Schopenhauer nun auf die Willensfreiheit
anwendet.
Wir wissen, dass unser Wille von bestimmten Motiven affektiert wird,
so finden wir beispielsweise einen Geldschein auf der Straße und heben ihn auf, weil wir ohnehin finanziell nicht zum Besten
stehen. Aus unserem Charakter und dem Motiv, welcher aus dem Charakter stammt, folgt die Tat, welche das Wollen des Charakters
signalisiert. Die Frage, die wir uns aber, stellen müssen, um auf Schopenhauers gedankliche Ebene zu gelangen, lautet, wären
wir auch in der Lage dazu gewesen, mit exakt dem selben Bewusstsein und exakt den selben Motiven, den Geldschein nicht aufzuheben?
Schopenhauer würde diese Frage negieren, da unser Charakter auf seine Motive immer in der selben Art und Weise notwendig
reagiert, wenn die Umstände exakt die selben bleiben und keine zusätzlichen Gegenmotive uns zu einer anderen Entscheidung
suggerieren. Dies bedeutet also, dass wir nicht nur tun können, was wir wollen, sondern eben tun müssen,
was wir wollen, denn würden wir etwas nicht tun, so hieße das, dass wir es auch nicht wirklich wollen, da der letztliche Wille
einzig durch die Tat oder Nicht-Tat offenbart wird. Wir können also nichts tun, was wir nicht tun wollen, müssen dafür aber
alles tun, was wir tun wollen, denn die Motive, welche auf uns einwirken, machen dies auf eine notwendige und bestimmende
Art und Weise, die uns aufgrund unserer charakterlichen Beschaffenheit geradezu dazu zwingen, etwas Bestimmtes zu tun. So
gesehen könnte man den Menschen als einen Stein betrachten, der, wenn er von einer Seite angestoßen wird, notwendig sich in
die vorgegebene Richtung bewegen muss und gar nicht anders kann. Natürlich ist es beim Menschen wesentlich komplizierter:
der Anstoß des Willens erfolgt zumeist durch die Wahrnehmung unserer Sinnesrezeptoren, wobei der Reiz unser neuronales Gehirnmuster
erreicht und uns dann schließlich zur Tat motiviert. Dennoch können wir davon ausgehen, dass überall die Wirkungen, notwendige
Folgen aus zureichenden Gründen darstellen, sodass wir nun wissen, dass die Kausalität auch unsere Willensfreiheit einnimmt.
Schopenhauer zieht also den Schluss, dass die menschliche Willensfreiheit
nicht existieren kann, schon alleine deshalb, weil wir mit einem bestimmten Charakter geboren wurden, den wir uns selbst aber
nicht aussuchen konnten, der aber all unsere weiteren Handlungen wesentlich bestimmt.
|